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RUCKSACK BZW. TASCHE FÜR EIN 600MM F/4 INKL. KAMERA UND GEGENLICHTBLENDE

 

 

Ich habe wirklich überall und lange danach gesucht, und nichts gefunden. Es gibt schon einige Rucksäcke bzw. Taschen, die damit beworben werden dass ein 600mm F/4 und ein 800mm F/5,6 samt angebrachter Kamera hineinpassen. Da wären z.B. von Lowepro der "Lens Trecker", von Manfrotto der "TLB-600", von Vanguard der "Alta Sky 66" usw., und alle haben eines gemeinsam: Sie sind nur gute 60 Zentimeter hoch. Eine weitere Tasche, die mit 67 Zentimetern meine Vorgabe knapp, aber doch definitiv auch verfehlt, ist der Kinesis L622.

 

Die zu geringe Höhe bedeutet, ich muss die Gegenlichtblende jedes mal abnehmen und umgedreht montieren, damit die Kombi hineinpasst. Das mag ja noch einigermaßen erträglich sein, wenn ich das Equipment nur zu einem Ansitz transportiere und dort in Ruhe montiere. Wenn ich aber in Bewegung bin und sich eine spontane Gelegenheit ergibt, nervt es tierisch, nach dem auspacken noch die Gegenlichtblende dranfummeln zu müssen. Zudem habe ich eine gewisse Sorge, dass sich der relativ schmale Rand, der die Frontlinse davon abhält das Bodenpolster zu berühren, sich mit der Zeit in Letzteres eindrückt und die Linse Kontakt mit dem Polster bekommt. Da fehlen dann nur noch ein paar Staubkörnchen auf dem Polster, und schon ist die Freude groß... 

 

Also hat ein Long- Lens- Bag nach meiner Vorstellung eine Innenhöhe von mindestens 72 Zentimetern oder mehr. Nur dann ist es so wie ich es will: Abstellen, aufmachen, rausziehen und losfotografieren. Kein unnötiges Gefummel! Und mal ganz ehrlich: Das ganze wird dadurch ja nur etwas größer, aber nicht wirklich schwerer. Mit der Gegenlichtblende in "Shooting Position" habe ich ja letzten Endes nur etwas mehr Luft drin.

 

 

 

Der Vollständigkeit halber:

 

Es gibt tatsächlich EINE Tasche, die annähernd nach meinem Geschmack wäre: Der "4Xpandable" von LensCoat. Mit seiner Innenhöhe von 73 Zentimetern ist er aber gerade so NICHT hoch genug, wenn ein Telekonverter montiert ist. Oder doch, mit etwas quetschen? Leider ist der 4Xpandable aber gar nicht so leicht zu bekommen, auf Amazon.de heißt es "voraussichtlich in 2-3 Monaten versandfertig", bei Calumet schaut es mit "Lieferzeit ca. 4 Wochen" schon etwas besser aus... auf Amazon.it dagegen gäbe es ihn sofort, sofern man bereit ist 451,99 plus 14 Euro Versand zu bezahlen. Direkt aus USA bestellt kommt es auch nicht viel günstiger, denn zum Preis von knapp 300 US$ kommen 65€ Versand, 2,7% Zoll und 19% MwSt. Hier ist ein schöner ausführlicher Bericht von Arthur Tiutenko zum 4Xpandable. Was ich anhand der Bilder schon vermutet hatte, bestätigt Arthur auch: Das ganze ist ein bisschen lapprig und das Equipment ist im 4Xpandable nicht wirklich fixiert, es flappt beim Transport immer etwas darin herum. 

 

 

 


Dass das kein zierliches Täschchen wird, war von Anfang an klar.

 

 

Basis ist der Rucksack "Aviator 100" von Brandit, welcher für humane 75 Euro in verschiedenen hübschen Farb- und Camo- Designs erhältlich ist. Ich habe mich übrigens für ein dezentes "Dark Camo" entschieden.

 

Der Aviator 100 fasst nicht nur 100 Liter, was in dem Fall ja mehr oder weniger egal ist, aber vor allem ist er auch fast 100 Zentimeter hoch, 95 um genau zu sein. Das bedeutet, es ist ausreichend Höhe für das 600mm bis 800mm Teleobjektiv samt Kamera, sowie für einen stabilen Boden und etwas Polsterung vorhanden. Selbst wenn bereits ein Telekonverter zwischen Tele und Kamera montiert ist, reicht die Höhe immer noch aus. 

 

 

Obwohl der Aviator 100 eher hoch und schmal gehalten ist, wird er in der Breite natürlich nicht ganz ausgefüllt. Ich denke aber, das lässt sich schon irgendwie zusammenschnüren. Das Hauptaugenmerk liegt bei diesem Projekt definitiv auf der Ergonomie.

 

 

Die Einzelteile

 

Der Rucksack ist nun da, nun brauche ich etwas, was ihn innen stabilisiert und natürlich das Objektiv samt Kamera bestmöglich schützt. Hier bin ich im Baustoffhandel (nicht Baumarkt, da hören die Durchmesser i.d. Regel bei 150mm auf) fündig geworden:

 

 

Ein Abwasserrohr aus PVC mit 250mm Durchmesser, auf dem ersten Bild im Rohzustand, auf den folgenden Bildern bereits zugeschnitten und vor allem mit einem entsprechenden Ausschnitt versehen, um die schwere Kombi am Griff des Objektivs(!)  herausziehen zu können. Ein +/- 6kg Objektiv an der Kamera herauszuziehen hätte relativ bald ein verzogenes Bajonett zur Folge. 

Beim Kauf des Rohres muss man ein bisschen aufpassen. Die in Deutschland üblichen sogenannten KG- Rohre (gibt es z.B. auch hier bei Amazon) sind sehr stabil, in den größeren Durchmessern aber auch sehr dick und schwer. Hier in Italien gibt es von nahezu jedem Baustoff auch eine "Light-" Version. Mein verwendetes Rohr nennt sich "Edilplast PVC" und liegt gewichtsmäßig noch im erträglichen Rahmen. Leider gab es für Rohre über 200mm keine Deckel, aber das ließ sich einfach lösen. Zwei Sperrholzplatten mit je 8mm Stärke, rund zugeschnitten, eine mit einem Durchmesser etwas größer als der Außendurchmesser vom Rohr und die Zweite so, dass sie gerade ins Rohr hinenpasst.

 

Der hübsche Rosa-/ Magentastich auf einigen Bildern kommt daher, dass in meinem derzeitigen, provisorischen Mini- Office meine erste selbstgezogene Papaya Pflanze überwintert, selbige eine Zusatzbeleuchtung braucht und diese wiederum mit Zeitschaltuhr funktioniert :-P

 

 

Durch die oben beschriebene Formgebung ist der Deckel formschlüssig und lässt sich mit einigen kleinen Schräubchen (z.B. 3x16mm) sicher befestigen.

 

 

 

 

Das PVC- Rohr lässt sich übrigens mit der Stichsäge sehr gut bearbeiten. Ich habe ein feines Sägeblatt für Metall verwendet.

 


 

 

Ein kurzer Test vorab: Objektiv samt Kamera passen perfekt in das vorbereitete Rohr und selbiges wiederum perfekt in den Rucksack.

 


 

 

 

 

Durch das stabile Rohr mit Boden sind Objektiv und Kamera schon mal ganz gut geschützt, wackeln da drin aber natürlich noch herum. Jetzt wird es Zeit für

 

 

Die Polsterung

 

Bezüglich der Polsterung habe ich eine ganze Zeit lang überlegt. Zuerst fand ich es naheliegend, die komplette Innenseite des Rohres mit Polstermaterial auszukleiden. Dann kam mir aber in den Sinn, dass die runde Form zwar gut zum Objektiv passt, aber mit der Kamera nicht wirklich formschlüssig ist. Außerdem hätte es mit Sicherheit Probleme mit der Schraube gegeben, welche die Gegenlichtblende hält. Also habe ich mich letztendlich für "Polsterwürste" entschieden. Da sollte das ganze zudem auch schön rein und raus gleiten, ohne dass es sich irgendwo "schoppt", Falten wirft o.ä.

 

Die meisten Polstermaterialien, sei es Schaumstoff, PU- Formteile oder was auch immer, sind nicht wirklich abriebsfest und fangen früher oder später an zu krümeln. Sie müssen auf irgendeine Art und Weise verpackt/ umhüllt werden. Ich habe mir dazu kurzerhand Stoffschläuche genäht (ja, ich kann das :-D ).

 

 

 

Die Stoffschläuche habe ich dann mit zusammengerollter PU- Schaum- Polsterfolie gefüllt. Möglicherweise wären die vorgefertigten Schaumrohre, die z.B. als Wärmeisolierung für Wasserleitungen verwendet werden, eleganter gewesen. Die hatte ich aber nicht zur Hand, außerdem bin ich mir nicht sicher, ob es die im passenden Durchmesser (in meinem Fall 40mm) gegeben hätte. Poolnudeln wären auch cool, aber die haben in der Regel einen Durchmesser von 60mm und mehr.

 

 

Die "Polsterwürste" habe ich mittels entsprechenden Bohrungen und Kabelbindern fixiert. Die Kabelbinder habe ich bewusst sehr fest zugezogen, so dass sich an der Stelle jeweils eine Taille in der Wurst ergibt. Dadurch scheuern Objektiv und Kamera nicht am Plastik der Kabelbinder.   

 

Den Boden habe ich natürlich auch gepolstert. Hier habe ich zwei dickere, jeweils knapp 2 Zentimeter starke, PU- Schaumplatten verwendet. Die (sichtbare-) Obere habe ich mit Camo- Stoff überzogen, für den Fall dass mal jemand in meinen Rucksack reinschaut ;-)

 

Die Halbrunden Ausschnitte im Bodenpolster fixieren auch die "Polsterwürste" nochmal zusätzlich.

 

 

 

Das sieht nun insgesamt aber nach relativ wenig Polsterung aus?  

 

Es müsste aber reichen, denn ich habe versucht, die Polster exakt so zu positionieren, dass Objektiv und Kamera hundertprozentig fixiert sind. Ziel ist, dass sie sich bei Lageänderung des Rucksacks nicht merklich bewegen und dass natürlich in keinem Fall ein Kontakt mit dem PVC Rohr zustande kommt.

 


 

 

 

Damit beim einpacken nichts hakelt, habe ich die "Polsterwürste" am oberen Ende nach außen über den Rand gebogen/ gezogen und mit einem zwei Zentimeter schmalen Streifen vom PVC Rohr fixiert.

 

Und so schaut das fertige Innenleben meiner Long Lens Bag nun aus:

 

Das einsetzen in den Rucksack ist ein Kinderspiel. Einfach rein damit.

 



 

 

 

Fertig!

 

Objektiv samt Kamera gleiten schön smooth hinein und sind ordentlich fixiert, da wackelt nichts herum. Wie man sieht, ist in der Höhe noch Platz für Telekonverter.

 

 

 

Zum Schluss noch mein Eindruck zum Rucksack selbst:

 

Auch wenn ich nicht vorhabe damit wandern zu gehen, so schlecht sitzt der Rucksack gar nicht, im Gegenteil. Er bietet stabile, gut gepolsterte Gurte mit vielen Einstellmöglichkeiten. Der Bereich, der am Rücken anliegt, ist verstärkt, gut gepolstert und belüftet (BAS - Brandit Air System). Ich muss das alles noch richtig auf mich einstellen und dann wohl tatsächlich mal einen Probe- Spaziergang damit machen.

 

Auch die sonstige Ausstattung ist erfreulich Foto- tauglich: Seitlich bietet der Rucksack je eine große Tasche mit robustem Reißverschluss sowie je eine Netztasche. Eine weitere Reißverschlusstasche sitzt oben auf dem Deckel. Ich kann also locker einige Ersatzakkus, Speicherkarten, Fernauslöser, Telekonverter und gegebenenfalls noch eine großzügige Brotzeit mitnehmen - eben die Vorteile eines riesigen Rucksacks ;-) An verschiedenen Stellen sind kräftige Gurtschlaufen angebracht, da ließe sich mit etwas Tüftelei und ein paar Gurten bestimmt auch noch ein Stativ befestigen - falls mir das Gepäck irgendwann zu leicht sein sollte. Übrigens: Material und Verarbeitung wirken auf mich durchwegs ordentlich und stabil.  

 

Man bekommt den Brandit Aviator 100 z.B. bei Amazon.

 

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Roman (Freitag, 25 März 2022 12:31)

    Hallo Andy,

    wow, bin mehr als schwer beindruckt von deiner Zielstrebigkeit!
    Das beweist mit welcher Ernsthaftigkeit und Leidenschaft du das Fotografieren betreibst.

    Vor wenigen Tagen habe ich zum SIGMA 500mm F4,5 einen Kommentar gepostet,
    den du auch zeitnah und sehr flott beantwortet hast. Vielen Dank dafür!

    Bevor ich mir das gebrauchte SIGMA zulegte, hatte ich mir noch
    das Minolta 600mm F4,0 APO High Speed für SONY Alpha A-Mount gegönnt.
    Dafür eigens gut 300 km zum Verkäufer gefahren,
    um eventuell diverse Enttäuschungen zu vermeiden,
    denn 3.800 Eur in den Sand zu setzen, wäre mehr als schmerzlich.

    Ein Spitzenteil mit einem pfeilschnellen AF.
    Auch mit dem Original Minolta 1,4x TC arbeitet der AF noch sehr flott.

    Die Abmessungen sind allerdings riesig und das größe Manko ist das stramme Gewicht von 5,5 kg, das nicht zu unterschätzen ist. Freihand? Ausgeschlossen!
    D.h. Stativ und Gimbal erhöhen das Gewicht des Equipment nochmals deutlich.
    Wandern möchte man mit solch einem Marschgepäck nicht, also nur Ansitzfotografie.

    Keine Chance das Teil in meinen Lowepro Flipside 500AW II unterzubringen.
    Eventuell könnte der Lowepro Lens Trekker 600 AW III in Frage kommen.

    Ausserdem gehe ich gern per Fahrrad auf Fototour.
    Das SIGMA 500mm packe ich einfach in die Gepäckträgertasche und gut is.
    Wie ich per Rad das Minolta 600m sicher transportieren kann,
    bin ich noch am Rätseln.

    Der Hersteller König Photobags (koenig-photobags.de),
    der nur wenige Kilometer von meinem Wohnort ansässig ist,
    könnte mir hier möglicherweise eine Lösung anbieten.
    Werde diesen mit dem Objektiv mal persönlich aufsuchen und
    dann schauen wir mal weiter.

    Freundliche Grüße
    Roman

    P.S.
    Du musst nicht unbedingt auf meinen Kommentar antworten,
    habe dir ja auch keine Frage gestellt.

  • #2

    RITA (Samstag, 17 Juni 2023 12:07)

    Hallo Andreas
    Ich bin aktuell auf dem Weg, um mir evtl ein Canon 600mm F4 zuzulegen.auf der Fahrt stöbere ich nach passenden Tragemöglichkeiten und merkte, das Angebot ist Recht mau.
    Dein Bericht hat mich schwer begeistert!
    Ja, ist stimme dir zu, man braucht Rucksäcke, in denen generell die GeLi in Position bleiben kann....zur Montage fehlt oft die Zeit.

    Dein Ideenreichtum ist Klasse.
    Ich muss Mal schauen, ob ich deine Idee nachbauen kann.
    Ganz grosse Klasse.

    Wobei ich wie Roman auch viel auf Fototour mit Rad unterwegs bin. Ich habe mir einen Anhänger gekauft in dem ich meine Taschen, Stativ etc ablegen kann. Aber ein Anhänger iat nicht immer so praktisch.

    Danke nochmals für deine tolle Idee!
    Gruss
    Rita